Hans Härry entstammte einer in Meisterschwanden niedergelassenen Bildhauer-Familie. Nach der Volksschule erlernte er als ältestes von sechs Kindern das Bildhauer Handwerk im familieneigenen Betrieb. Seine Patin erkannte das Talent des Jungen und ersuchte dessen Vater Johannes, den Sohn in München an der Kunstakademie ausbilden zu lassen. Sie käme für die Ausbildungs- und Aufenthaltskosten auf. Die Familie wollte aber auf den Nachwuchs-Mitarbeiter nicht verzichten. So verliess Hans Härry 1891 das Elternhaus und zog nach Zürich, wo er zunächst bei der Bildhauerei Rusterholz unterkam. Den Gesellenbrief hatte ihm seine Familie verweigert.
Der junge Bildhauer wohnte bei Frau Jung, welche die freien Zimmer ihrer Zürcher Wohnung an Zimmerherren vermietete. Hans verliebte sich in die Tochter der Witwe, Sophie. Inzwischen im Besitz des Gesellenbriefes wechselte er seine Stellung und wurde 1893 Betriebsleiter der steinindustriellen Betriebe "Emil Schneebeli Marmor und Granitwerke" an der Badenerstrasse 313 neben dem Zentral-Friedhof Zürich (heute Friedhof Sihlfeld). Er bildete sich u.a. an der Kunstgewerbeschule Zürich weiter, hauptsächlich aber durch das Studium der grossen Bildhauer der Renaissance und seiner eigenen Zeit. Er wurde Bildhauer Meister. Bei Emil Schneebeli leitete und gestaltete Hans Härry zahlreiche Arbeiten für die Stadt Zürich. Namhafte Bildhauer aus ganz Europa zählten zu den Kunden der Firma. So begegnete Hans Härry u.a. Urs Eggenschwyler, Richard Kießling, Hermann Haller und beim Bau des Landesmuseums Ferdinand Hodler. Einige seiner Kollegen wurden zu Freunden für das ganze Leben. Im Privatzoo von Urs Eggenschwyler verbrachte Hans Härry viele Stunden seiner Freizeit.
Inzwischen hatten Hans Härry und Sophie Jung geheiratet. Das junge Paar bezog seine erste Wohnung an der Badenerstrasse 112. Die an Kinderlähmung erkrankte Sophie wurde Schneider Meisterin und gründete ihr eigenes Atelier, vorerst im Wohnzimmer der Familie. 1995 kam Sohn Hans zur Welt, fünf Jahre später Tochter Alice. Hans war in Zürich angekommen.
Die umfangreichen Aufgaben des Werkleiters eines steinverarbeitenden Gross-Betriebes brachten für den Bildhauer aber auch Nachteile: Die Leitungsaufgaben wurden mehr, die künstlerische Tätigkeit weniger. So verliess Hans Härry 1917 die Firma Schneebeli und wurde Betriebsleiter des damals renommierten Ateliers Hess. Endlich ging auch ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung: Eine Studienreise nach Italien.
1913 zog die Familie Härry-Jung in ihr eigenes Haus an die Carmenstrasse 33 an den Zürichberg. Da Sophies Krankheit immer weiter fortschritt, war ihr neues Atelier im Erdgeschoss eine grosse Erleichterung. Die neue Kundschaft bot der Schneiderin ein weites kreatives Feld. 1924 eröffnete dann auch Hans Härry sein Atelier im eigenen Haus. Die Tochter Alice hatte sich inzwischen an der Schweizerischen Kreditanstalt ausgebildet und führte die Firmen ihrer beiden Eltern.
Da Hans Härry lange Zeit Angestellter war, sind die meisten seiner Werke nicht signiert, und es hält schwer, sie zu inventarisieren. Die wenigen erhaltenen und ihm zugeschriebenen Werke aber legen Zeugnis seines unvergleichlichen bildhauerischen Könnens ab. Das Bagdad-Relief zum Familiengrab Weber Nr. 81022 im Friedhof Enzenbühl steht heute unter Denkmalschutz. Der Brunnen am Eingang zu den Bürkli-Anlagen (1909) ist ein beliebter Treffpunkt für Touristen aus aller Welt. Hans Härry schuf für die Stadt Zürich die Büste des Sängervaters Hans Georg Nägeli, und die bildhauerische Gestaltung der Kirche St. Jakob stammt aus seiner Hand.
Hans Härry war insbesondere als Gestalter von Portraits und als Spezialist für Schriften anerkannt. Ob Alfred Ilg, Ingenieur und Ministerpräsident von Abesinien oder der Gründer von Patent Ochsner, dessen Müllwagen seine Zeit prägten, Hans Härry liebte es, das Leben der Menschen, welche ihn beauftragten, im Stein Gestalt zu geben. Friedhöfe waren für Hans Härry Ort des Respekts vor dem Leben. Einige Werke wurden aber auch für sein eigenes Haus geschaffen, so das Relief des Dichters, Gottfried Keller für das Lesezimmer seiner Familie. Und die Familienmitglieder wurden selbstverständlich auch als Modelle beigezogen. So zierte anstellte der obligaten Beethoven-Büste das kindliche Haupt seiner 1jährigen Enkelin, Alice das ebenso obligate Klavier im Jugendstil Haushalt.
Witz und Ironie verbanden sich bei Hans Härry mit kristallklarer Beobachtung der gesellschaftlichen Vorgänge und mit einer tiefen künstlerischen Ernsthaftigkeit. Sein soziales Engagement galt der Kunst und jenen, welche ihr Leben nicht aus eigener Kraft gestalten können oder durch Unfall oder Krankheit in Not geraten sind. Hans Härry betrachtete es stets als grosses Privileg, zwei gesunde Hände auf die Welt bekommen zu haben und ein Handwerk zu beherrschen, das ihn und seine Familie ernährte. Aus dieser Überzeugung heraus engagierte er sich 1901 als Gründungsmitglied für die erste Schweizer Krankenkasse, Helvetia.
Nelly, sein geliebter Foxterrier war sein treuester Begleiter. Er gehörte dem Wirt des Restaurants Sonnenberg. Ein Gast sollte den jungen Hund abholen. Der Gast kam aber nicht, und so beschloss der Wirt, das Tier abzutun. Hans Härry, der auf seinen Spaziergängen gerne bei dem Lokal vorbeischaute, nahm das kleine Fellknäuel kurzerhand mit. Nelly behielt seinen Namen zeitlebens, obwohl sich die vermeintliche Hundedame später als Rüde entpuppte. Der Terrier mit der Acht auf dem Rücken begleitete Vater Härry auf seinen Spaziergängen, Mutter Härry bot er Security-Dienste für das Atelier und die beiden Enkel beschützte er auf Schritt und Tritt, wenn Tochter Alice beschäftigt war.
Kunst bedeutete für Hans Härry nicht Exklusivität einer kleinen Schicht. Er sah im Stein das gestaltete Leben der Menschen. Und ein Stein war für ihn so lebensvoll wie ein Baum, ein Tier, wie ein Gespräch, wie Musik, wie der Genuss einer Zigarre oder ein reeller Wein. Er begnügte sich den auch nicht damit, den vielgelobten Carara-Marmor und seine seit der Antike für edel erklärten Genossen zu verarbeiten. Sein liebster Steinbruch waren die Alpen. Oft begab er sich auf tagelange Wanderungen in die Berge, rollte eigenhändig und mit Hilfe von lokalen Bauern Steinbrocken zur nächsten SBB-Station, von wo sie in sein Atelier geliefert wurden. Er suchte den Stein, in welchem er die spätere Skulptur erkennten konnte und erklärte sein Vorgehen so: Ein Bildhauer kann keinem Stein etwas aufzwingen. Was der Bildhauer gestaltet, ist schon lang da, bevor er Hammer und Meissel ansetzt, um "'s Vorig abz'schlaa".